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Hertha BSC   1.FC Union Berlin
Bruno Labbadia B. Labbadia Manager U. Fischer Urs Fischer
€45.20m Total market value €144.65m
24.3 ø age 27.5

Gesamtbilanz: Bundesliga

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10. Spieltag: Hertha BSC - 1.FC Union Berlin

Dec 2, 2020 - 11:54 AM hours
Hertha BSC - 1. FC Union Berlin
Freitag, 04. Dezember 2020
20:30 Uhr

Fußball für Fans

Diametrale Erwartungshaltungen und Ergebnisse sind nur ein wichtiger Aspekt dieses Derbys am Freitagabend. Hertha BSC und der 1. FC Union Berlin spielen jeweils konträr zu den Einschätzungen der Experten und sind dabei in jedem Kriterium so unterschiedlich, dass der Feuilleton gern über “David gegen Goliath” spricht und stets den Konsens artikuliert, dass es “nur einen Hauptstadt-Gewinner” geben kann. Eine Ansicht, die ich verachte - eine Stadt wie Berlin verträgt mindestens zwei Bundesliga-Vertreter und eine wild herbei artikulierte Rivalität aus den großen Kontrasten der Vereine finde ich dabei überhaupt nicht sinnig. Stattdessen freut es mich, dass zwei Vereine der Hauptstadt sich so unterschiedlich positionieren und so auch komplett verschiedene Fans ansprechen und erreichen können. Beide Vereine verdienen es, in der Bundesliga zu sein und in friedlicher Co-Existenz zu leben, den Fußballstandort Berlin dadurch sogar gemeinsam aufzuwerten und eine ganz neue Generation an Nachwuchsspielern zu beeinflussen. Endlich dürfen wir in einer Zeit leben, in der man eine Auswahl haben kann und in der es ein breites Angebot an qualitativ attraktiver sportlicher Möglichkeiten gibt. Ich bin ein Herzblut-Unioner, aber ich liebe auch den Umstand, dass Hertha ebenso wie wir in der Bundesliga spielt. Dabei verspüre ich keinen Groll, keinen Hass, keine Rivalität - niemand klaut dem anderen die Fans oder Sponsoren weg, beide Vereine sind so unterschiedlich, dass diese Unterschiedlichkeit sogar die einzige Konstante ist, nach der sich die Medien gegenwärtig sehnen.

Ein Derby, das so viel sportliche Brisanz und Leidenschaft verspricht - aber auch ein Derby, das immer wieder aus seinem eigentlichen Kontext herausgerissen wird. Und auch mit der Gefahr hin, dass meine Ansicht vielen Blau-Weißen sauer aufstoßen wird, so finde ich die Außendarstellung der Hertha seit Anbeginn der Ära Windhorst doch etwas kapriziös. Eine Entwicklung, bei der sich Hertha immer mehr von den eigentlichen Qualitäten auf dem Fußballfeld hin zu einer sich selbst definierten Football Corporation bewegt, in der das Marketing eine noch größere Bedeutung besitzt als der Sport an sich. Diese Woche wurden wir jüngst Zeuge einer neuen Marketing-Aktion, die für sich vielleicht verwirrend erscheint, aber auch Aufmerksamkeit für das Derby verspricht, jedoch missfällt mir die theatrale Ausschlachtung solcher Marketing-Coups. Meiner Ansicht nach ist es immer besonders paradox und scheinheilig, wenn größere Corporates sich mit Guerilla-Marketing brüsten, was dann im Nachgang aber so aufwendig und cineastisch inszeniert wurde, dass hinter der Guerilla-Aktion (die ihren Ursprung in Grassroots-Marketing und No-Budget-Ideen findet) am Ende wesentlich mehr Behind-The-Scenes-Material steckt, als der eigentliche Effekt der Aktion inne hat. Das Budget für die Inszenierung der ganzen Aktion verbrauchte mehr Gelder, als die Produktion der Symbolik an sich. Das ist schade und hat damit auch viel an Potenzial der „Fahnen-Aktion“ verpufft - aber am Ende passt es auch exzellent zur Außendarstellung von Hertha BSC:

Stets versuchen, einen pompösen Eindruck zu erwecken, mit gezieltem Marketing und von PR nur so angereicherten Kommuniqués möglichst einen ganzheitlichen gesellschafts-politischen Ton zu wahren, der in einem speziellen Moment eine positive Aura um den Botschafter bringen soll. In der Wirtschaftskommunikation kann man Herthas Marketing-Aktionismus mit den Arbeiten von Luhmann, von Barthes oder mit Schulz von Thun vergleichen und wohl eine ganze Woche lang die Parallelen und Definitionen der einzelnen Theorien abarbeiten. Das scheint diese neue Start-Up-Mentalität zu sein, bei der man im Fußball mehr Anglizismen und Marketing-Buzzwords nutzt, als man überhaupt Ballkontakte im Spiel hat. Aber dieser „Marketing-Coup“ mit den Fahnen stammt ja auch aus derselben Ader, aus der man das erste Bundesliga-Derby im letzten Jahr scheinheilig unbedingt am Tag des Falls der Mauer zelebrieren wollte, um sich möglichst positiv in der ganzen Republik mit zweifelhaften Motivationen zu brüsten. Das waren damals aber alles noch Gedankenspiele, die noch nicht aus der Feder des absoluten Silicon-Valley-Experten Jürgen K. entstammten, der seine Liebe für Social Media und all deren Funktionen ja auch im Fußball-Alltag stets zur Schau stellte. Und irgendwie passte der Jürgen K mit seiner Art perfekt zu der neuen Hertha, der sich so sehr zu inszenieren versucht wie die Hertha als „Big City Club“ selber. Und irgendwo sahen sich beide Protagonisten stets näher an Hollywood, an New York, an London und Paris - als es die Realität der eigentlichen Kernkompetenz auf dem Platz wirklich widerspiegelte. Aber so ist das nun einmal, wenn man einen Fußballverein wie ein Start-Up führt, das sich in Wind(horst)eseile in großen Profiten und noch größerer Reichweite verstehen will. Die Hertha, das ist doch eine Marke, eine Lebenseinstellung, eine Identität auf der Ebene von Apple und Sony und Tesla - aber doch nicht auf einer Ebene wie der 1. FSV Mainz 05, wie der SC Freiburg oder Fortuna Düsseldorf. Das geht doch nicht. Um aber als Marke wirklich weltweit dieses Renommee zu erhalten, mit welchem sich die Funktionäre gern selber beweihräuchern, sollte man eine langfristige Entwicklung anstreben und nicht vier Schritte überspringen. Eine Möglichkeit wäre es, das Marketing etwas kohärenter zu gestalten, etwas mehr auf die Vereinswerte abzustimmen und dann auch die komplette Außendarstellung und Vereinskommunikation etwas geerdeter zu führen: weg von Marketing-Buzzwords, hin zur direkten Kommunikation mit den Fans. Denn am Ende ist der Verein in erster Linie nicht den Investoren Rechenschaft schuldig, sondern seinen Anhängern. Und jenen möchte ich große Anerkennung zu sprechen:

Es ist sicherlich nicht leicht, Fan eines Vereins zu sein, der seine eigene Identität oftmals nicht versteht und sich verrennt. Die letzte Saison musste für viele Herthaner eine absolute Qual gewesen sein und so manchem Fan kommen wohl Alptraum-Szenarien in den Kopf, wenn man an ausbleibenden sportlichen Erfolg denkt. Was, wenn der Windhorst weg ist und die Hertha vor einem Scherbenhaufen steht? Das sind alles Gedanken, die wir Unioner auch schon gedacht und leider auch miterlebt haben - am Ende müssen die sportliche Entwicklung und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Hand in Hand gehen, sehr oft braucht es dafür Geduld, noch viel öfter braucht es dafür auch den unzerstörbaren Glauben, dass sich dies am Ende alles rentieren wird. Ich wünschte mir, dass all jene Hertha-Fans die seit so langer Zeit bereits blau-weiße Fahnen im Wohnzimmer und im Kleingarten (aber nicht an öffentlichen Flächen) wehen, endlich belohnt werden. Die Hauptstadt verträgt mindestens zwei Bundesliga-Vereine und mit seiner für mich einzigartigen Identität als Verein der bürgerlichen Mitte kann die Hertha so viele Berliner und Fans außerhalb der Hauptstadt ansprechen, wenn man sich etwas authentischer repräsentieren würde. Als Herthaner verdient man es nicht, dass ein Jürgen K so unehrenhaft mit deiner Liebe Schluss macht, dass der eigene Verein als Spielball externer Interessen gilt, dass man sich die Identität des Vereins einfach so mit Start-Up-Geld erkaufen kann und dann die Prämissen der neuen Wirtschaft einfach in den Fußball reinsteckt. Das geht nicht, das ist nicht der Kern des Fussballs, den wir alle lieben und der uns alle eint. Unser Fußball ist kein Marketing-Witz, unser Fußball ist kein Aufmerksamkeit erhaschender Aktionismus. Wenn überhaupt, so ist unser Fußball eine Symbolik, und zwar die Symbolik unserer selbst:

Wir alle arbeiten uns durch diese Woche stets mit dem einen Hintergedanken, wie wohl das nächste Wochenend-Spiel ausgeht. Jede Kicker-Eilmeldung zum Verein wird mit großer Aufmerksamkeit geklickt und jedes Spieler-Interview in einer lokalen Zeitung im Landkreis Märkisch-Oder vier mal gelesen. Wir sind der Verein. Wir alle erhoffen uns, dass jene Energie und jenes Herzblut, das wir für unseren Verein in jeder Stunde unseres Lebens geben, in anderer Weise zurückgezahlt wird: mit einer leidenschaftlichen Mannschaft, die über 90 Minuten lang am Wochenende die Werte und Gefühle repräsentieren, die uns als Fans ausmachen. Wir wollen aufopferungsvollen Einsatz, unabdingbaren Willen, kollegiales Teamwork. Wir möchten, dass diese 11 Spieler verstehen, was der Verein für uns bedeutet und wir wollen auch, dass dieser Verein so geführt wird, wie wir es verdient haben. Für die Spieler sind es vielleicht nur 90 Minuten, für uns aber dauert dieses Spiel ein Leben lang. Am Ende des Spieltages und am Ende der Saison ist der Verein in gewisser Weise auch ein Replikat unseres Herzens, unserer selbst. Und niemand will, dass jemand unsere Herzen mit Füßen tritt, sondern mit Verantwortung und Hochachtung all unsere Liebe als Investment sieht, was es zurückzuzahlen gilt. Egal, ob das Herz nun rot-weiß oder blau-weiß ist. Am Ende sind wir alle Fußball-Fans und wir alle lieben unsere Vereine.

Daher erhoffe ich mir ein schönes Spiel mit sportlicher Rivalität auf Augenhöhe, aber keinen billigen Aktionismus seitens der Vereine, um diese Rivalität auch auf die Fans zu übertragen. Wir alle sind Berliner, wir alle lieben unsere Berliner Vereine und wir alle sollten Hand in Hand durch die Saison gehen, ohne dass irgendwer die Macht haben sollte, diese Rivalität in Hass zu transformieren.

UNVEU
This contribution was last edited by billy_diao on Dec 2, 2020 at 12:00 PM hours
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